Rechtssicherheit für Selbständige
Die Frage, ob ein Mitarbeiter als Dienstnehmer oder als Selbständiger anzusehen ist oder doch angestellt werden muss, ist weitgehend ausjudiziert. Dennoch kam es bei Betriebsprüfungen immer wieder vor, dass die Österreichische Gesundheitskasse (ehem. Gebietskrankenkassen) Selbständige als Dienstnehmer qualifiziert und eine rückwirkende Pflichtversicherung nach dem ASVG auch für mehrere Jahre vorgeschrieben hat. Damit verbunden waren enorme Beitragsforderungen an den früheren Auftraggeber: Unter Umständen mussten Dienstgeber- und Dienstnehmerbeiträge rückwirkend für bis zu fünf Jahre nachgezahlt werden.
Seit 1. Juli 2017 gibt es mit dem Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz (SV-ZG) ein besseres Verfahren zur Abgrenzung zwischen Selbständigen oder Dienstnehmern.
Liste der freien Gewerbe (PDF, 45 KB) die dem Verfahren zur Klärung der Versicherungszuordnung gem. § 412a Z. 2 lit. a ASVG unterzogen werden.
Auch im bäuerlichen Bereich ist das SV-ZG für einen Teil der Nebentätigkeiten von Bedeutung, Siehe dazu unter Beitragsgrundlage – bäuerliche Nebentätigkeiten.
Welche Überprüfungen sind denkbar?
- Versicherungszuordnung bei Neuanmeldung
Zukünftig erhalten „Neue Selbständige" und bestimmte gelistete Gewerbetreibende bei Neuanmeldung zu einer selbständigen Erwerbstätigkeit einen Fragebogen, welcher zur Überprüfung der Versicherungszuordnung (SVS/GSVG oder ÖGK/ASVG), Selbständiger oder Dienstnehmer, benötigt wird.
Dazu ein Beispiel:
Frau A meldet sich als Physiotherapeutin zur Pflichtversicherung für „Neue Selbständige" an. Aufgrund ihrer Angaben im Fragebogen geht die SVS von einer selbständigen Tätigkeit aus und übermittelt den Fragebogen der ÖGK zwecks Prüfung bzw. Bestätigung dieser Beurteilung.
Da Frau A lt. Fragebogen in den Räumlichkeiten des Auftraggebers X tätig wird und seine betriebliche Infrastruktur benützen darf, ortet die ÖGK ein Dienstverhältnis. Daher wird der Fall gemeinsam (ÖGK und SVS) besprochen. Dabei kann die SVS die ÖGK davon überzeugen, dass Frau A auch eine eigene betriebliche Struktur hat, sich die Arbeitszeit frei einteilen und sich auch uneingeschränkt vertreten lassen kann und daher die Argumente für die Selbständigkeit überwiegen.
Frau A erhält von der SVS einen Bescheid, mit dem die Pflichtversicherung nach dem GSVG festgestellt wird, und ist dadurch vor der späteren Feststellung der Pflichtversicherung nach dem ASVG (aufgrund der Tätigkeit für den Auftraggeber X) geschützt (sofern die tatsächlichen Verhältnisse den Angaben im Fragebogen entsprechen).
- Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA-Prüfung)
Tritt bei einer versicherungsrechtlichen Prüfung oder bei einer GPLA-Prüfung der Verdacht einer ASVG-Versicherung auf, so muss die ÖGK oder das Finanzamt die SVS unverzüglich über den Verdacht verständigen. In weiterer Folge prüfen ÖGK bzw. Finanzamt mit der SVS gemeinsam die Zuordnung: Die SVS ist in die Ermittlungen mit einzubeziehen!
Ergibt die Prüfung, dass im maßgeblichen Zeitraum eine selbständige Erwerbstätigkeit vorliegt, verbleibt es bei der Pflichtversicherung nach dem GSVG und die SVS stellt einen Bescheid über die Pflichtversicherung aus. Aufgrund der Bindungswirkung kann in einem späteren Prüfverfahren eine Neuordnung der Zuordnung nur bei falschen Angaben oder bei einer maßgeblichen Änderung des Sachverhaltes vorgenommen werden. Wird hingegen einvernehmlich festgestellt, dass keine selbständige Erwerbstätigkeit, sondern ein Dienstverhältnis vorliegt, so wird von der Gebietskrankenkasse ASVG-Pflichtversicherung (ohne Bescheid) festgestellt.
- Prüfung der Versicherungszuordnung
Sie können als bereits SVS Versicherte über Antrag Ihre Versicherungszuordnung überprüfen lassen. Grundsätzlich ist für solche Verfahren die ÖGK zuständig. Als SVS können wir jedoch im Rahmen unseres jeweiligen Wirkungsbereiches auch selbst Erhebungen durchführen. Damit wir Sie der dementsprechenden Versicherung zuordnen können, müssen Sie den dafür vorgesehenen Fragebogen ausgefüllt an uns retournieren.
Folgen der neuen Rechtsgrundlage
- Geringere Nachforderung als bisher bei Umqualifizierung
Darunter versteht man die Zuordnung eines bisher selbständig Erwerbstätigen zu einem freien Dienstnehmer; der bisherige Auftraggeber wird also zum Dienstgeber.
Bei einer solchen Umqualifizierung kommt es – anders als bisher – zu einer beitragsrechtlichen Rückabwicklung, wodurch die Beitragsbelastung des Dienstgebers gesenkt wird. Alle zu Unrecht geleisteten Beiträge des vormals Selbständigen werden an den zuständigen Krankenversicherungsträger des neuen Dienstgebers überwiesen. Dieser berechnet die Beiträge unter Anrechnung des Überweisungsbetrages. Ein Überschuss wird von Amts wegen an den Versicherten ausgezahlt.
Dazu ein Beispiel:
Bei einem Essenszusteller wird im Jahr 2025 von der Österreichischen Gesundheitskasse rückwirkend für das Jahr 2024 Dienstnehmereigenschaft und somit Pflichtversicherung nach dem ASVG festgestellt.
In diesem Jahr lagen Einkünfte von 15.000 € vor. Die an die SVS gezahlten Sozialversicherungsbeiträge von insgesamt EUR 4.031,82 (PV: EUR 2.775, KV: EUR 1.147,50, UV: EUR 109,32) werden an die Österreichische Gesundheitskasse überwiesen. Diese bildet eine ASVG-Beitragsgrundlage. Die Vorschreibung an den Dienstgeber reduziert sich somit um EUR 4.031,82. Es verbleibt eine Nachzahlung von ca. EUR 2.700 für den Dienstgeber.
- Keine Einigung zwischen ÖGK und SVS
Für den Fall, dass keine Einigung bei der Versicherungszuordnung erzielt wird, hat die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) einen Bescheid auszustellen. In diesem muss sich die ÖGK im Rahmen der rechtlichen Beurteilung mit dem abweichenden Vorbringen der SVS auseinandersetzen.
Damit kann die SVS im Rechtsmittelverfahren auch Ihre Interessen besser vertreten.
- Bindungswirkung durch Bescheid auch gegenüber den Steuerbehörden
Die ÖGK muss nach einer Einigung der Versicherungszuordnung auf Wunsch einen Bescheid ausstellen.
Die Entscheidung darüber ist für spätere Prüfungen bindend, solange sich der maßgebliche Sachverhalt nicht ändert und auch keine falschen Angaben gemacht wurden.
- Steuerliche Auswirkungen
Die Bindungswirkung eines Feststellungsbescheides über die Versicherungszuständigkeit entfaltet auch Bindungswirkung für die Zuordnung zu selbständigen oder unselbständigen Einkünften nach den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes.
Wird beispielsweise Pflichtversicherung nach dem GSVG festgestellt, so führt diese – steuerlich gesehen – zu Einkünften aus Gewerbebetrieb oder aus selbständiger Arbeit.